Behindertengerechter Umbau eröffnet neue Möglichkeiten
Enrico Dietermann im Interview mit Ruth Klein, der Beauftragten für Nachteilsausgleich an den Kaufmännischen Schulen Dillenburg.
Enrico Dietermann, der seit 2 Jahren die Vollzeitschulform der Assistenten für Bürowirtschaft besucht, berichtet von seinen Erfahrungen als Rollstuhlfahrer an der KSDill.
Klein: Herr Dietermann, Sie waren bereits vor dem Umbau Schüler unserer Schule. Wie erleben Sie die Situation als Rollstuhlfahrer an unserer Schule und was hat sich für Sie durch den Umbau verändert?
Enrico Dietermann: Vor dem Umbau war die Beschulung durch die Raumsituation zum Teil schwierig. Zwar war man sehr bemüht, den Stundenplan meiner Klasse im Untergeschoß zu organisieren, jedoch war dies bei Unterricht in Containern und kurzfristigen Vertretungen nicht immer möglich und es musste z. T. ein manueller Treppensteiger bemüht werden.
Allerdings besuchte ich damals die Schule noch vollzeitbegleitet durch einen Integrationshelfer.
Klein: Vorher besuchten Sie die Goldbachschule in Frohnhausen und haben dort Ihre mittlere Reife erworben. Wie war der Übergang an die KSDill ?
Enrico: Schon vor meiner Einschulung hier wurde auf die Besonderheiten meiner körperl. Situation Bezug genommen, Organisatorisches besprochen und ich bekam einen Nachteilsausgleich, der mir z.B. längere Arbeitszeit bei Klassenarbeiten und die Nutzung eines Laptop beim Schreiben ermöglicht, da mir längeres Schreiben per Hand Probleme bereitet. Insgesamt fand ich hier von Anfang an ein sehr freundliches und hilfsbereites Lernklima vor und meine Klasse, die Lehrkräfte aber auch andere SchülerInnen dieser Schule sind stets bereit mich zu unterstützen.
Zu Beginn gab es nur eine behindertengerechte Toilette im Untergeschoss, wo mir ein eigener Schrank für Hilfsmittel eingerichtet wurde, ebenso habe ich einen Schrank im Selbstlernzentrum (Foto 1c), damit ich nicht alle Unterlagen und Bücher im Rollstuhl mitführen muss.
Klein: Enrico, was ist die größte Veränderung seit dem Umbau der Schule ?
Enrico: Mit dem Umbau der Schule konnte ich ein großes Ziel verwirklichen: „Selbstständigkeit im Schulalltag“ . Der neu errichtete Aufzug (Foto 1b) ermöglicht mir problemlos die Nutzung aller Stockwerke und Unterrichtsräume. In jedem Raum gibt es höhenverstellbare Tische (Foto 1a) und eine behindertengerechte Toilette mit Notruf in jedem Stockwerk. Daher benötige ich keine Begleitung durch eine Integrationshilfe mehr und bewege mich frei und selbstständig. Ich brauche nur noch ein Taxi, um zur Schule zu kommen. Damit ist für mich ein großer Schritt geschafft.
Klein: Welche neuen Perspektiven entwickeln sich durch den Umbau jetzt auch für andere Körperbehinderte ?
Enrico: Gerade im kaufmännischen Bereich gibt es für Körperbehinderte gute berufl. Perspektiven. Durch den Umbau kann man jetzt hier nicht nur problemlos und selbstständig am schulischen Teil aller kaufmännischen Ausbildungsberufe teilnehmen, sondern beispielsweise auch sein Abitur am beruflichen Gymnasium Fachrichtung Technik oder Wirtschaft machen, oder die Fachhochschulreife bei den Assistenten für Bürowirtschaft erwerben. Auch die mittlere Reife in der Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung ist attraktiv, da gerade in der Verwaltung und im öffentlichen Dienst gute Beschäftigungs- und Ausbildungschancen für körperbehinderte Menschen bestehen.
Klein: Vielen Dank Enrico für deine Bereitschaft zu diesem Interview.
Enrico: Gerne. Ich würde mich freuen, wenn andere durch diesen Artikel eine neue schulische und berufliche Perspektive bekommen. Seit dem Umbau steht der Beschulung hier nichts mehr im Wege. Nach den Sommerferien soll ja auch das mittlere Stockwerk fertiggestellt sein und auch die technische Ausstattung ist hier auf dem neuestem Stand.
Soweit ich weiß, kann man sich für das neue Schuljahr noch anmelden. Nur Mut.
Klein: Ja, Anmeldungen für das kommende Schuljahr sind auf jeden Fall noch möglich. Da du uns ja leider zum Sommer verlässt, bleibt mir noch dir alles Gute für deinen weiteren Weg zu wünschen.